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Acrylamid in Lebensmitteln: Ein ernstzunehmendes gesundheitliches Risiko

20/2002, 30.08.2002

Erste erfolgversprechende Ansätze zur Senkung der Gehalte sind vorhanden

Als ernstzunehmendes gesundheitliches Risiko bezeichnete der Toxikologe Dr. Josef Schlatter die Acrylamidbelastung von Lebensmitteln. "Auch wenn der Verbraucher mit diesem Risiko möglicherweise seit Jahrzehnten gelebt hat", so Schlatter auf einer Informationsveranstaltung des BgVV, müsse man die Gehalte zum Schutz des Verbrauchers schnellstmöglich reduzieren. An der Veranstaltung unter dem Titel "Acrylamid - ernstes Problem oder überschätzte Gefahr", die am 29. August 2002 in Berlin stattfand, nahmen mehr als 200 in- und ausländische Vertreter aus Politik, Behörden, Verbraucherschutzeinrichtungen, Wissenschaft und Industrie teil. Aus den Beiträgen wurde deutlich, dass die Lösung des Problems sicherlich noch einige Zeit beanspruchen wird, dass es aber schon heute eine Reihe erfolgversprechender Ansätze gibt, mit denen sich die Acrylamidgehalte in der Zwischenzeit sukzessive verringern lassen.

Der Stoff Acrylamid war im April dieses Jahres in die Diskussion geraten, nachdem die Schwedische Gesundheitsbehörde über hohe Acrylamidfunde in frittierten, gebratenen, gerösteten und gebackenen Produkten berichtet und ein daraus möglicherweise resultierendes relevantes Krebsrisiko für den Menschen diskutiert hatte. Acrylamid löst im Tierversuch Krebs aus und schädigt das Erbgut. Internationale Gremien halten es für wahrscheinlich, dass diese Wirkung auch beim Menschen auftritt. In einer Studie an Arbeitern, die über eine längere Zeit gegenüber Acrylamid exponiert waren, konnte kein kausaler Zusammenhang zwischen der Acrylamidbelastung und Krebserkrankungen nachgewiesen werden. Die Aussagekraft dieser Studien reicht aber aufgrund der niedrigen Probandenzahlen nicht aus, um einen geringen Anstieg der Krebshäufigkeit durch die Belastung mit Acrylamid feststellen zu können. Vor diesem Hintergrund bat das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) das BgVV bereits im Mai, zu einem ersten Expertengespräch einzuladen, das den Auftakt für umfangreiche Arbeiten im Bereich der Analytik und Toxikologie bildete.

Zwischenzeitlich hat das BgVV zusammen mit Untersuchungseinrichtungen der Bundesländer und privaten Labors Analysenmethoden entwickelt, die eine sichere Bestimmung der Acrylamid-Gehalte ermöglichen. Ein Qualitätssicherungstest, in dem die Leistungsfähigkeit der Labors derzeit "geeicht" wird, hat gute erste Resultate gebracht und zeigt, dass eine Reihe angewandter Methoden verlässliche Ergebnisse bringen. Der Proficiency-Test wird im September abgeschlossen sein. Es ist zu erwarten, dass dann ausreichend analytische Kapazitäten zur Verfügung stehen, um repräsentative Untersuchungen für den deutschen Markt durchzuführen.

Viele offene Fragen gibt es dagegen noch immer im Hinblick auf die Entstehung von Acrylamid. Der Stoff entsteht bei der Herstellung von stärkehaltigen Lebensmitteln. Auch das Vorhandensein eines stickstoffhaltigen Reaktionspartners muss gewährleistet sein. Temperatur, Erhitzungsdauer, Trockenheitsgrad, die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und bei Kartoffeln auch Sorte und Lagerbedingungen scheinen dabei neben möglichen weiteren Faktoren eine Rolle zu spielen. Es wurde beobachtet, dass vor allem in Produkten, bei denen durch die Temperaturbelastung der Wassergehalt weitestgehend reduziert worden ist, besonders hohe Acrylamidgehalte entstehen können. Sobald der Einfluss dieser Faktoren abgesichert ist, können hieraus technologische Änderungen der Herstellungprozesse industriell gefertigter Produkte abgeleitet werden. Die endgültige Lösung des Acrylamidproblems im industriellen Bereich wird zwar noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber schon heute gibt es erste erfolgversprechende Ansätze, um die Gehalte in Lebensmitteln allmählich zu senken. Ein besonderes Problem im Hinblick auf die Bildung von Acrylamid stellt der private Haushalt dar. Auch hier kann die risikoreiche Substanz beim Frittieren, Braten, Rösten oder Backen in kritischen Mengen entstehen. Die Bedeutung einzelner Entstehungsfaktoren muss vorrangig abgeklärt werden, um dem Verbraucher die Möglichkeit an die Hand zu geben, in der eigenen Küche hohe Acrylamidgehalte zu vermeiden. Gleiches gilt für Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung.

Die Daten zur Belastung von Lebensmitteln des deutschen Marktes mit Acrylamid, die die Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorstellte, unterstreichen, dass Pommes Frites und Chips zu den am höchsten belasteten Produktgruppen gehören. Acrylamid wurde (zum Teil in deutlich niedrigeren Mengen) aber auch in vorgerösteten Frühstückscerealien, Gebäck und anderen Knabberartikeln sowie weiteren stärkehaltigen und unter hohen Temperaturen hergestellten Lebensmitteln nachgewiesen. Die Werte schwanken zum Teil erheblich zwischen den Chargen und zwischen Produkten verschiedener Hersteller. Untersuchungen von Obst, Gemüse und Fleisch verliefen bisher negativ. Um die Acrylamidgehalte sukzessive zu senken, hat das BVL gemeinsam mit den Bundesländern eine Minimierungsstrategie auf der Basis sogenannter "Signalwerte" vereinbart.

Bessere Informationen für die Bürger forderten die Verbraucherschützer. "Der Verbraucher", so die Vertreterin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Michel-Drees, könne nicht warten, bis das Acrylamid-Problem gelöst sei. Er habe schon heute einen Anspruch auf umfassende Information. Michel-Drees appellierte an die Hersteller, ihrer diesbezüglichen Verantwortung stärker als bisher nachzukommen und die Belastung der Lebensmittel mit Acrylamid für den Verbraucher transparent zu gestalten.

Einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltung verfassen wir für die Homepage des Instituts (Menupunkt Veranstaltungen). Dort kann auch ein Großteil der Präsentationen sowie die vorgestellten Daten aus Deutschland eingesehen werden.

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