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BSE-Risiko soweit einschränken wie möglich!
08/1996, 04.04.1996
BgVV appelliert an Hersteller, wirksame Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers zu treffen
Rindfleisch, Gummibärchen, Milch und Kosmetika - der Verbraucher fürchtet den "Rinderwahn" und ist massiv verunsichert, ob von diesen Produkten Gefahren für seine Gesundheit ausgehen. Hinterfragt werden auch die Sicherheit von Tierfuttermehl und Futter für Heimtiere. Kann durch diese Produkte die Bovine Spongiforme Enzephalopathie, kurz BSE, übertragen werden, und welche Produkte kann der Verbraucher bedenkenlos kaufen?
Lebensmittel und Kosmetika unterliegen in Deutschland strengen gesetzlichen Vorschriften. Für ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit ist darüberhinaus der Hersteller verantwortlich. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, BgVV, in Berlin appelliert deshalb noch einmal nachdrücklich an die Hersteller von Lebensmitteln und Kosmetika, alle Maßnahmen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz zu ergreifen, die nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand als wirksam gelten.
Dazu gehören
- die sorgfältige Auswahl der Ausgangsprodukte.
Rindfleisch und Rindfleischprodukte aus in Deutschland geborenen und aufgezogenen Tieren gelten nach wie vor als unbedenklich, da bis heute keine BSE-Fälle aufgetreten sind. Grundsätzlich dürfen BSE-verdächtige Tiere zur Herstellung von Lebensmitteln und Kosmetika nicht verwendet werden; das gilt auch für die Verwendung als Heimtierfutter.
- die Anwendung eines Verfahrens, das den Erreger nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand sicher inaktiviert, wenn tierisches Ausgangsmaterial für die Herstellung der Produkte verwendet wird.
Als wirkungsvoll anerkannt ist z.B. eine Methode, bei der das Material unter Dampfdruck auf 133° C über 20 Minuten erhitzt wird. Da sie bei zahlreichen Lebensmitteln nicht anwendbar ist, ist die Auswahl der Ausgangsprodukte besonders wichtig.
- die Prüfung, ob auch auf andere Ausgangsmaterialien als Rinderprodukte ausgewichen werden kann, soweit dies nicht bereits geschehen ist.
BSE-Infektionen von Tieren konnten bis heute durch zentrales Nervengewebe, nicht aber durch Muskelfleisch, Milch oder Milchprodukte ausgelöst werden. Grundsätzlich ist eine Übertragung auf andere Tierarten möglich. Experimentelle Ergebnisse liegen u.a. für folgende Tierarten vor:
Katzen, Großkatzen und Schafe - Die Erkrankung konnte sowohl durch Injektion als auch durch Verfütterung erregerhaltigen Materials ausgelöst werden.
Schweine - Die Erkrankung ist bislang nur durch Injektion erregerhaltigen Materials, nicht aber durch Futter ausgelöst worden.
Geflügel - Eine Übertragung von BSE gelang weder durch die Injektion noch durch die Verfütterung erregerhaltigen Materials.
Obgleich bis heute keine abschließenden Beweise vorliegen, gibt es ernstzunehmende Hinweise darauf, daß eine Übertragung des Erregers auf den Menschen möglich ist.
Da Lebensmittel und Kosmetika in Deutschland keiner Zulassung bedürfen und das BgVV keine Überwachungs- und Kontrollfunktionen hat, liegen dem Institut keine umfassenden Erkenntnisse zu einzelnen Produkten vor. Im folgenden werden deshalb die Informationen weitergegeben, die u.a. von seiten der Hersteller vorliegen:
Kosmetika:
Nach eigenen Angaben halten sich deutsche Hersteller an die Empfehlungen zur Sicherheit von Kosmetika, für deren Herstellung tierische Ausgangsmaterialien verwendet werden. Sie wurden 1994 vom Bundesministerium für Gesundheit, Bonn, in Anlehnung an die Sicherheitsmaßnahmen für Arzneimittel herausgegeben und enthalten Vorschriften zur Risikominimierung. Bei Einhaltung dieser Empfehlungen ist die Sicherheit für den Verbraucher nach heutigem Kenntnisstand gewährleistet. Nach Angaben der Hersteller werden inzwischen überwiegend andere Tierarten und pflanzliche Rohstoffe für die Kosmetikaherstellung verwendet. Es liegen bis heute keinerlei Hinweise dafür vor, daß der BSE-Erreger über die Haut übertragen wird.
Aus Sicht des BgVV sollten zur Herstellung von Körperpflegemitteln und dekorativen Kosmetika aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes nur solche Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs eingesetzt werden, die auch für Arzneimittel Verwendung finden und entsprechend aufbereitet wurden.
Gelatine:
Nach eigenen Angaben setzen die Hersteller von Gelatine Produktionsverfahren ein, die den Erreger inaktivieren. Sie geben an, inzwischen weitgehend auf andere Rohstoffe zurückzugreifen und zunehmend auch pflanzliche Gelatineersatzstoffe einzusetzen. Gelatine wird deshalb hinsichtlicher einer möglichen BSE-Übertragung als unbedenklich angesehen.
Milch und Milchprodukte:
Alle Übertragungsversuche des BSE-Erregers durch Milch verliefen negativ. Insoweit gelten Milch und Milchprodukte nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand als sicher.
Die Einschätzung zur Sicherheit von Gelatine, Milch und Milchprodukten wurde in dieser Woche bei einem Treffen von Experten der WHO bestätigt.
Andere Produkte:
Für alle anderen Produkte, Lebensmittel wie Bedarfsgegenstände, Tierkörpermehl oder Futter für Heimtiere gilt, daß sie dann als sicher anzusehen sind, wenn sie aus Fleisch oder Fleischprodukten deutscher Rinder hergestellt wurden und/oder bei der Herstellung ein wirkungsvolles Inaktivierungsverfahren angewendet wurde.
Zu Produkten ausländischer Hersteller oder Produkten, die anderes als deutsches Ausgangsmaterial enthalten, kann das BgVV keine Auskunft geben, da es weder einen Überblick über noch einen Einfluß auf die Handelswege hat.
Ein Verzicht auf Fleisch, Fleischprodukte oder Milch und Milchprodukte ist bei Einhaltung der oben genannten Vorsichtsmaßnahmen aus Sicht des BgVV unbegründet. Abgeraten wird aber grundsätzlich vom Verzehr solcher Produkte, die Fleisch von Tieren aus Gebieten enthalten, in denen die BSE endemisch, d.h. verbreitet vorkommt. Bereits 1993 hatte das Institut auf die Möglichkeit einer BSE-Übertragung auf den Menschen hingewiesen und hat dies seither in seinen wissenschaftlichen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Ansicht des BgVV gewährleisten die aktuellen gesetzlichen Regelungen bei gleichzeitiger effizienter Kontrolle einen ausreichenden Verbraucherschutz.