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Expertenrunde der Weltgesundheitsorganisation diskutiert gesundheitliche Bewertung von PCBs
26/2001, 11.09.2001
Gemeinsame Presseerklärung des Umweltbundesamtes (UBA) und des
Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin (BgVV)
Zwar ist die Belastung der Menschen in Deutschland durch polychlorierte
Biphenyle (PCB) in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Doch
noch immer nehmen die Menschen relativ hohe Mengen von PCBs über die
Nahrung und in geringem Umfang auch über die Luft auf. So haben auch
Meldungen über PCB-belastete Schulen Eltern, Schüler und Lehrer in den
vergangenen Wochen stark verunsichert. Unbestritten ist: PCBs können die
Gesundheit schädigen, doch es gibt noch viele offene Fragen. Die
Bewertung der gesundheitlichen Wirkungen von PCB waren auch Gegenstand
einer internationalen Expertenrunde der Weltgesundheitsorganisation
(WHO), die sich am 3. und 4. September 2001 im Bundesinstitut für
gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV) in Berlin zu einem
Gedankenaustausch traf. Im Mittelpunkt standen die sogenannten
non-dioxin-like-PCBs, polychlorierte Biphenyle, die in ihrer Wirkung
keine oder wenig Ähnlichkeit mit den hochgiftigen Dioxinen haben. Die
Experten aus acht Ländern waren sich einig, dass die Belastung der
Bevölkerung mit PCBs weiterhin deutlich verringert werden muss.
Polychlorierte Biphenyle wurden in der Vergangenheit aufgrund ihrer
physikalischen und chemischen Eigenschaften in großem Umfang zum
Beispiel in Klebstoffen, als Weichmacher in Farben und Dichtungsmassen
sowie als Kühlmittel in Transformatoren eingesetzt. Die PCB-haltigen
Dichtungs- und Fugenmassen sind heute eine der Hauptquellen für erhöhte
PCB-Konzentrationen in der Raumluft. Seit 1989 ist der Einsatz von
polychlorierten Biphenylen in Deutschland verboten. Menschen nehmen PCBs
hauptsächlich über die tierische Nahrung und in geringerem Maße auch
über die Atemluft auf. PCBs reichern sich im Fettgewebe an. Die Gruppe
der polychlorierten aromatischen Biphenyle umfasst rund 200 Substanzen.
Sie schädigen unter anderem das Immunsystem und das zentrale
Nervensystem. Ein Teil weist dioxinähnliche Wirkungen auf. Diese
Substanzen werden deshalb dioxin-like-PCB genannt. Andere polychlorierte
Biphenyle haben in ihrer Wirkung keine oder wenig Ähnlichkeit mit
Dioxinen und werden deshalb als non-dioxin-like-PCBs bezeichnet.
1998 legte die WHO einen Wert für die duldbare tägliche Aufnahme (TDI)
fest, der sowohl Dioxine und Furane als auch 12 dioxin-ähnliche PCBs
umfasst. Der Wert liegt bei 1-4 Pikogramm (pg) - das ist ein Billionstel
Gramm - sogenannter Dioxin-Äquivalente (WHO-TEQ) pro Kilogramm (kg)
Körpergewicht (KGW). Im Sinne eines vorsorgenden Verbraucherschutzes
wird der niedrigere Wert von 1 pg WHO-TEQ/kg KGW seither von BgVV und
UBA als Zielwert für gesundheitliche Risikobewertungen zugrunde gelegt.
Aus der Tatsache, dass dieses Bewertungskonzept die Gruppe der
non-dioxin-like-PCBs nicht einschließt, resultieren Unsicherheiten in
der Risikobewertung dieser Substanzgruppe. Viele PCBs sind schwer
abbaubar und reichern sich in der Nahrungskette an. Sie machen den
Großteil der PCBs aus, die in Muttermilch und Körpergeweben gefunden
werden. Im Tierversuch wurden unter anderem Wirkungen auf das
Nervensystem und den Hormonhaushalt beobachtet. Auch tumorauslösende
Wirkungen sind dokumentiert. Die Aussagen zu Wirkungen beim Menschen
sind widersprüchlich.
Für BgVV und UBA stellte sich die Frage, ob die gesundheitlichen
Wirkungen der non-dioxin-like-PCBs wegen des Fehlens eines eigenen
Bewertungskonzeptes bei Risikobewertungen möglicherweise unterschätzt
werden, oder ob die dioxinähnlichen PCBs die kritischere Substanzgruppe
darstellen und die Begrenzung ihrer Aufnahmemenge den gesundheitlichen
Verbraucherschutz auch für die non-dioxin-like-PCBs ausreichend
sicherstellt. Diese Frage stand nun im Mittelpunkt des Fachgesprächs der
WHO. Vor einer abschließenden Beurteilung, ob separate
Bewertungsmaßstäbe für diese Substanzgruppe erforderlich sind, will die
Expertengruppe alle verfügbaren Daten sorgfältig prüfen lassen. An
diesen ersten Gedankenaustausch soll sich dann ein weiteres
internationales Fachgespräch anschließen. Über das Treffen in Berlin
wird ein Bericht von der WHO erstellt.
Die Neubewertung der non-dioxin-like-PCB ist auch Anlass, die
derzeitigen Sanierungsempfehlungen für PCB-belastete Gebäude zu prüfen.
Eine am UBA angesiedelte Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder, die
Empfehlungen für den Umgang mit Schadstoffen in Innenräumen erarbeitet,
hat dazu Beratungen aufgenommen. Bis zum Abschluss dieser Beratungen
empfiehlt das Umweltbundesamt, Sanierungsmaßnahmen bei
Innenraumbelastungen durch polychlorierte Biphenyle weiterhin auf der
Basis der sogenannten PCB-Richtlinie vorzunehmen. Auf die
Handlungsempfehlungen für die Sanierung PCB-belasteter Gebäude hatten
sich bereits Mitte der Neunziger Jahre Gesundheits- und Bauexperten von
Bund und Ländern geeinigt. Viele Bundesländer haben die PCB-Richtlinie
baurechtlich verbindlich eingeführt, nicht überall wird sie aber
konsequent umgesetzt.
Nach der PCB-Richtlinie gelten weniger als 300 Nanogramm - ein Nanogramm
ist ein Milliardstel Gramm - PCB pro Kubikmeter Innenraumluft auch
langfristig als tolerabel. Bei Werten zwischen 300 und 3000 Nanogramm
pro Kubikmeter Luft sollte die Quelle der Luftverunreinigung aufgespürt,
nach Möglichkeit unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit beseitigt oder
zumindest eine Verminderung der PCB-Konzentration – etwa durch
gründliche Reinigung und Entstaubung der Räume – angestrebt werden.
Konzentrationen von über 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Innenraumluft
sollten vermieden werden. Bei solchen Werten sollten Kontrollanalysen
vorgenommen und unverzüglich Maßnahmen zur Verringerung der
Konzentrationen ergriffen werden. Der Zielwert für Sanierungen liegt bei
weniger als 300 Nanogramm PCB pro Kubikmeter Luft.