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REACH: Eine Chance für mehr Verbraucherschutz
32/2006, 18.12.2006
Der Erfolg des neuen europäischen Chemikalienrechts hängt von der praktischen Umsetzung ab
Am 1. Juni 2007 tritt in Europa ein neues Chemikalienrecht in Kraft. Der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission - in der Öffentlichkeit unter dem Begriff „REACH“ bekannt - wurde heute vom Europäischen Ministerrat bestätigt. Elf Jahre haben die Chemische Industrie, die neue europäische Chemikalienbehörde in Helsinki sowie die nationalen Behörden, ab Juni Zeit, um rund 30.000 Chemikalien zu registrieren, ihre Risiken zu bewerten, den sicheren Umgang mit ihnen zu ermöglichen und besonders gefährliche Substanzen einem Zulassungsverfahren zu unterwerfen. Sie alle werden erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um den ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten. Das BfR hat sich an der Gestaltung von REACH in den vergangenen Jahren intensiv beteiligt. „Viele unserer Vorschläge sind in die Verordnung eingeflossen“, kommentiert der Präsident des BfR, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, das neue Gesetz. „Sie werden dazu beitragen, den Verbraucher- und den Tierschutz zu stärken“. Andere Forderungen wurden nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Hierzu gehört der Schutz der Verbraucher vor Risiken durch Stoffe mit relativ kleiner Jahresproduktion sowie durch den Kontakt gegenüber ein und derselben Chemikalie in unterschiedlichen Anwendungsbereichen und über mehrere Belastungspfade. Die Pflicht zum Ersatz besonders gefährlicher durch weniger gefährliche Stoffe begrüßt das BfR, bewertet den Umfang der Ausnahmeregelungen jedoch kritisch.
Das neue europäische Chemikalienrecht ergänzt die bestehenden Regelungen zum Gesundheitsschutz der Verbraucher bei der Herstellung, dem Transport und der Anwendung von Chemikalien um wichtige neue Elemente. So soll das Recht der Verbraucher auf Information über die Gefährlichkeit von Stoffen und Produkten deutlich erweitert werden. Die praktische Umsetzung wird zeigen, ob dies tatsächlich gelingt.
REACH kehrt erstmals die Beweislast um: Während bisher in erster Linie die Behörden die Sicherheit der Chemikalien belegen mussten, müssen jetzt Hersteller und Importeure Gefahren ihrer Stoffe identifizieren, mögliche Risiken abschätzen und Maßnahmen festlegen, um Gesundheits- und Umweltschäden auszuschließen.
Gestaffelt nach der jährlich in Europa in den Verkehr gebrachten Menge einer Chemikalie müssen Hersteller nach dem neuen Chemikalienrecht erstmals Daten zu diesem Stoff vorlegen oder Sicherheitsstudien durchführen. Was bislang nur für „neue“ Stoffe galt, gilt damit nun auch für die große Zahl der Altstoffe, die teilweise schon seit Jahrzehnten eingesetzt werden. Ausgenommen von dieser Regelung sind Chemikalien, die in Mengen von unter zehn Tonnen in den Verkehr gebracht werden - nach Meinung des BfR ein Defizit bei der Risikobewertung verbrauchernaher Stoffe. Darüber hinaus hält das Institut die künftig vorgesehene Kennzeichnung von verbrauchernahen Chemikalien für unzureichend, weil der Verbraucher nicht erkennen kann, ob und auf welche gefährlichen Eigenschaften ein Stoff geprüft wurde. Eine Kennzeichnung ist nämlich nur dann vorgesehen, wenn tatsächlich ein Gefahrenpotential in Sicherheitsstudien nachgewiesen wurde.
Eine eindeutige Verbesserung des Verbraucherschutzes stellt dagegen das Zulassungsverfahren dar, welches besonders gefährliche Stoffe, die Krebs erzeugende, das Erbgut verändern, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Ungeborene im Mutterleib schädigen können, künftig durchlaufen müssen. Ihre Zahl wird auf ca. 2.500 geschätzt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Gesetzgebungsverfahren war der zu erwartende Anstieg von Tierversuchen im Rahmen zusätzlicher Sicherheitsstudien. Schon frühzeitig hatte das BfR in einer wissenschaftlichen Studie auf diese kritische Entwicklung hingewiesen und Verbesserungen im Gesetzestext vorgeschlagen, die eine Minimierung der Tierzahlen erlauben, wenn der Gesundheitsschutz dadurch nicht beeinträchtigt wird. Das BfR wertet es als Erfolg seiner Arbeit, dass künftig wissenschaftlich akzeptierte, alternative Prüfmethoden anstelle von Tierversuchen genutzt werden können und sollen. Das Gesetz verpflichtet die Europäische Kommission ausdrücklich, Entwicklungen auf diesem Gebiet zu überprüfen und weitere tierversuchsfreie Prüfmethoden zu erarbeiten. Diese fehlen zum Beispiel noch für die Prüfung von Chemikalien, die auf das Hormonsystem wirken können und bislang nicht effektiv geregelt sind, und für die Prüfung von Chemikalien auf mögliche Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit und Schwangerschaft.