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Zwischen Wahrheitsanspruch und Wunschdenken - Wissenschaft für Politik und Gesellschaft
46/2016, 15.11.2016
BfR-Stakeholderkonferenz „Wissenschaftliche Politikberatung im Konfliktfeld von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit“
Ob Technikfolgenabschätzung, Klimaschutz oder gesundheitlicher Verbraucherschutz, die Wissenschaft ist gefragt, wenn es um politische Entscheidungen geht. Doch wie kann und soll die Politik konkret wissenschaftlich beraten werden? Am 18. November 2016 lädt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu einer Stakeholderkonferenz ein, um das Thema „Wissenschaftliche Politikberatung“ aus verschiedenen Perspektiven zu diskutieren. „Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis. In einer demokratischen Gesellschaft erwarten Bürgerinnen und Bürger, dass Entscheidungen, die ihr Leben und ihre Gesundheit betreffen, wissenschaftlich legitimiert sind“, sagt BfR-Vizepräsident Professor Dr. Reiner Wittkowski. „Die Herausforderung besteht darin, wissenschaftliche Ergebnisse unabhängig, qualitätsgesichert und transparent zu bewerten, denn die Politik braucht fundierten Rat für wissensbasierte Entscheidungen. Dazu gehört auch, dass der Grad wissenschaftlicher Unsicherheit und der Umgang mit Nichtwissen, aber auch wissenschaftliche Divergenzen kommuniziert werden.“ Die Konferenz wird in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin stattfinden und die Herausforderungen an die wissenschaftliche Politikberatung auf so unterschiedlichen Politikfeldern wie dem gesundheitlichen Verbraucherschutz, der Inneren Sicherheit, der Zukunft der Sozialsysteme und der Folgen technisch-naturwissenschaftlicher Entwicklungen thematisieren.
Das BfR erarbeitet jeden Tag zahlreiche Gutachten und Stellungnahmen, in denen es gesundheitliche Risiken bewertet und Handlungsoptionen für die Entscheider formuliert. Ziel des BfR als unabhängige, wissenschaftliche Institution im gesundheitlichen Verbraucherschutz ist es, die bestmögliche wissenschaftliche Evidenz als Grundlage für politische Entscheidungen zu liefern. Dabei ist es in manchen Fällen öffentlicher Kritik ausgesetzt, wenn die dargelegten wissenschaftlichen Schlussfolgerungen nicht bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Forderung und Annahmen entsprechen.
Im Zentrum der Veranstaltung steht daher die Frage, welche Rolle wissenschaftliche Politikberatung im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlich gültigen Aussagen, politischen Handlungsoptionen und gesellschaftlichen Forderungen einnehmen kann und soll. Will sie wissenschaftlich redlich handeln, sollte sie den politisch Handelnden alle verfügbaren wissenschaftlichen Evidenzen abgewogen präsentieren. Sie muss dabei den Spagat zwischen der wissenschaftlichen Legitimierung politischer Entscheidungen im Sinne des „Expertenrats“ und der Rolle als „ehrlichem Makler“ bewältigen und deshalb sowohl den Umfang und die Tiefe der Unsicherheit wissenschaftlicher Aussagen benennen als auch eine offene Gewichtung voneinander abweichender wissenschaftlicher Meinungen zu einem Sachverhalt darlegen. Es müssen die Bedingungen identifiziert werden, unter denen wissenschaftliches Know-How zur Grundlage politischer Entscheidungen werden kann, auch etwaige Hemmnisse müssen benannt sein. Auf der BfR-Stakeholderkonferenz soll die Rolle der wissenschaftlichen Politikberatung in der bzw. für die Gesellschaft genauer definiert werden: Was soll sie leisten, was kann sie leisten, aber auch was kann sie nicht und was sollte sie nicht leisten.
Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichen Wissenschaftsfeldern Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften werden ihre jeweils spezifischen Herausforderungen wissenschaftlicher Politikberatung vorstellen und deren Möglichkeiten und Grenzen an konkreten Beispielen diskutieren.
Dabei wird berücksichtigt, dass wissenschaftliche Politikberatung längst nicht mehr allein auf die nationale Dimension beschränkt ist. Viele Entscheidungen zur Regulierung werden bereits heute entweder auf europäischer Ebene getroffen oder im Rahmen weltumspannender Institutionen wie des Codex Alimentarius der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Welternährungsorganisation (FAO) oder der Welthandelsorganisation (WTO) ausgehandelt. Aber selbst bei rein nationalen Regulierungen sind die globalisierten Wirtschaftsbeziehungen zumindest mit in Betracht zu ziehen. Die wissenschaftlichen Aussagen müssen dabei insbesondere in den Naturwissenschaften, aber auch zunehmend in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften international verbindlichen Standards genügen. Auch das wird Gegenstand der Tagung sein.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.