BfR
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Jahresbericht 2014
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Omics-Methoden in der regulatorischen
Toxikologie
Mit dem Begriff „omics“ wird in den Biowissenschaften
eine Reihe analytischer Methoden bezeichnet, mit deren
Hilfe komplexe molekulare Veränderungen in biologischen
Proben untersucht werden können. Mit solchen Methoden
können Veränderungen wichtiger Gruppen von Biomole-
külen zellulärer Systeme in ihrer Gesamtheit gleichzeitig
erfasst werden. Genomics beispielsweise sind Methoden,
die zahlreiche Gene einer Zelle oder eines Gewebes in
einem einzigen Experiment gleichzeitig analysieren.
Da Fremdstoffe wie beispielsweise Chemikalien bereits
auf molekularer Ebene wirken können, eröffnet die An-
wendung von Omics-Methoden der Toxikologie neue
Möglichkeiten. So können derartige Methoden dazu bei-
tragen, Mechanismen aufzuklären, die einer bestimmten
toxischen Wirkung zugrunde liegen, beispielsweise einer
Leberschädigung durch eine bestimmte Substanz. Aller-
dings steht ihre Verwendung für regulatorische Zwecke,
etwa im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel,
noch am Anfang und unterliegt bislang erheblichen Un-
sicherheiten bezüglich der Verlässlichkeit und der Inter-
pretation der Daten.
Um hier Fortschritte zu erreichen, führt das BfR eigene
Forschungen durch. Beispielsweise untersuchte das In-
stitut die Kombinationswirkungen und Toxizitätsmecha-
nismen von Fungiziden in Tierversuchen und Zellkultur-
experimenten mithilfe von Omics-Methoden. Ziel war es,
herauszufinden, ob die mit Omics-Methoden beobachte-
ten Veränderungen in der Zellkultur mit denen im Tierver-
such vergleichbar sind und ob Zellversuche Tierversuche
in regulatorischen Verfahren mittelfristig ersetzen können.
In den BfR-Versuchen erhielten Ratten über 28 Tage ver-
schiedene Prüfsubstanzen einzeln und in Kombination,
ebenso auch die Zellkulturen. Anschließend wurde mittels
einer bestimmten Omics-Methode (Transcriptomics) ana-
lysiert, wie die einzelnen Substanzen und deren Kombi-
nationen die Ausprägung (Expression) bestimmter Gene
beeinflussen. Untersuchungsgegenstand war ein Haupt-
zielorgan der Substanzen: die Leber beziehungsweise
entsprechende Leberzelllinien.
Ein Ergebnis ist schematisch im Diagramm auf Seite 57
dargestellt. Das Tierexperiment zeigte, dass Fungizidmi-
schungen insgesamt mehr Gene beeinflussen als die Ein-
zelsubstanzen: Bei Mischung 1 waren es 105 veränderte
Gene im Vergleich zu 69 beziehungsweise 64 Genen, die
durch die Einzelsubstanzen Epoxiconazol und Cyproco-
nazol verändert wurden. Darüber hinaus wurden mehrere
Gene gefunden, die von allen Substanzen und Mischun-
gen verändert werden (30 im Tierexperiment, zwei im Zell-
kulturexperiment) und die als Marker für Mischungstoxi-
zitäten dienen könnten. Die Genexpressionsmuster lassen
zudem Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Toxizitäts-
mechanismus der verschiedenen geprüften Substanzen
erkennen.
Der Arbeitsbereich der Chemikalien- und Pestizidsicherheit berührt viele Bereiche des gesundheitlichen
Verbraucher- und Anwenderschutzes. In Deutschland ist das BfR eine der zentralen Institutionen für
gesundheitliche Stoffbewertungen. Mehrere Abteilungen wie zum Beispiel die Abteilungen für Exposition,
für Chemikalien- und Produktsicherheit sowie für Sicherheit von Pestiziden sind mit dem Thema befasst.
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Omics-Methoden analy-
sieren Veränderungen von
Biomolekülen in zellulären
Systemen in ihrer Gesamt-
heit gleichzeitig in einem
einzigen Experiment.