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BfR

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Jahresbericht 2015

68

Neue Verfahren zur Identifizierung und

Charakterisierung von Mikroplastik

Ob Zahnpasta, Peelings oder Duschgel – der Einsatz von

Kunststoffprodukten im Alltag nimmt immer weiter zu. So-

genanntes Mikroplastik, winzige Plastikpartikel, reichert

sich dadurch in aquatischen, aber auch in terrestrischen

Ökosystemen verstärkt an. Neben der Zersetzung grö-

ßerer Plastikprodukte tragen hierzu auch Polymerpartikel

bei, die zum Beispiel in kosmetischen Mitteln eingesetzt

werden. Für den gesundheitlichen Verbraucherschutz er-

gibt sich eine Reihe von Aufgaben: Geeignete Nachweis-

verfahren für Mikroplastik müssen entwickelt, Eintrags-

quellen in die menschliche Nahrungskette identifiziert und

mögliche Effekte auf die menschliche Gesundheit geklärt

werden. Insbesondere wasserabweisende Partikel könn-

ten sich als sogenannte trojanische Pferde erweisen: Es

ist wahrscheinlich, dass diese Partikel Schadstoffe aus

der Umwelt aufnehmen, um sie dann im menschlichen

Körper wieder langsam abzugeben.

Das BfR arbeitet gemeinsam mit dem Niedersächsischen

Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-

cherheit an neuen Verfahren zur Identifizierung und Cha-

rakterisierung von Mikroplastik. Neben der Fourier-Trans-

form-Infrarot-Spektroskopie (FT-IR), die Polymere anhand

der spezifischen Schwingung chemischer Bindungen

identifiziert, steht die Entwicklung massenspektrome-

trischer Analysenmethoden im Mittelpunkt. In der Pyro-

lyse-Gaschromatografie mit gekoppelter Massenspek-

trometrie werden Mikroplastikproben thermisch zersetzt

und die entstehenden Gase massenspektrometrisch cha-

rakterisiert. Auf diese Weise kann das jeweilige Polymer

identifiziert werden. Von besonderer Bedeutung ist das

bildgebende Verfahren der Flugzeit-Sekundärionenmas-

senspektrometrie (ToF-SIMS). Diese Technik ermöglicht

es, Mikroplastik-Partikel in der gleichen Form zu analysie-

ren, wie sie auch in der Umwelt vorkommen. Dafür wird

die Polymeroberfläche mit einem Ionenstrahl „beschos-

sen“, um Sekundärionen herauszulösen und anhand ihrer

Flugzeit zu analysieren. Das gesamte Ionenspektrum

kann auf diese Weise bildlich dargestellt und damit Parti-

kelgröße und Zusammensetzung bestimmt werden.

Erste ToF-SIMS-Untersuchungen zeigten, dass sich grö-

ßere Polyethylen-Pellets mit einem Durchmesser von circa

fünf Millimetern bereits nach 14 Tagen zu einem großen

Teil in Mikroplastikpartikel mit Durchmessern unter zehn

Mikrometer zersetzten. Während der folgenden 14 Tage

verstärkte sich dieser Prozess: So erhöhte sich der An-

teil der kleinsten Mikroplastikfraktion (Partikel zwischen

einem und 1,5 Mikrometern Größe) um 50 %, jener der

zweitkleinsten Fraktion (1,5 bis 2,5 Mikrometer Größe) um

bemerkenswerte 350 %. Die einzelnen Mikroplastikpar-

tikel ließen sich eindeutig vom Probenhintergrund unter-

scheiden. Damit wurde zum ersten Mal eine bildgebende

massenspektrometrische Methodik eingesetzt, um sekun-

där entstehende Mikroplastikpartikel zu identifizieren und

zu charakterisieren. Die entwickelte Methodik soll nun für

die Untersuchung von Realproben eingesetzt werden.

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Die Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift

Science of the Total Environment veröffentlicht.

(DOI: 10.1016/j.scitotenv.2016.04.025)

Vergiftungsrisiko durch Waschmittel-

Gelkapseln

Haushaltsprodukte müssen bei bestimmungsgemäßem

Gebrauch sicher sein – aber auch bei vorhersehbarem

Fehlgebrauch, etwa wenn Kleinkinder spielen und das

Produkt mit dem Mund „probieren“. Vergiftungen durch

Waschmittel traten in der Vergangenheit sehr selten auf.

Seit einigen Jahren gibt es jedoch einen neuen Trend,

der aus Sicht des BfR und der Europäischen Kommission

Anlass zur Sorge bereitet: Viele Waschmittel werden häu-

fig als farbige Flüssigkeit in weiche Kunststoffkissen ver-

packt, die sich in der Maschine beim Waschen auflösen.

Diese Gelkapseln lassen sich bequem dosieren – eine

Kapsel pro Waschgang – und sind besonders in Frank-

reich und Italien beliebt. In Deutschland gibt es bisher

noch wenige Gelkapsel-Produkte. Ob sich das zukünf-

tig ändert, ist unklar. Da Gelkapseln auf Kinder offenbar

anziehender wirken als klassische Waschmittel, kommt

es bei diesen Produkten häufiger zu Unfällen: Die ver-

gleichsweise hoch konzentrierte Waschmittellösung tritt

als Strahl aus der Kapsel aus und ruft dann in Mund oder

Sogenanntes Mikroplastik, winzige Plastikpartikel,

reichert sich in aquatischen, aber auch in terrestrischen

Ökosystemen verstärkt an.