BfR
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Jahresbericht 2014
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Das OECD-Prüfrichtlinienprogramm im BfR
Alternativmethoden zu Tierversuchen, insbesondere
In-vitro-
Methoden, haben in Europa im Rahmen der Im-
plementierung des Chemikaliengesetzes REACH eine
besondere Bedeutung erlangt. Die wichtigste internatio-
nale Organisation für die Anerkennung von toxikologischen
Prüfmethoden und Bewertungsstrategien ist die Organisa-
tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD). In ihrem Prüfrichtlinienprogramm befasst sich die
OECD mit der internationalen Harmonisierung und Stan-
dardisierung von physikalisch-chemischen, ökotoxiko-
logischen und toxikologischen Prüfmethoden. Die OECD-
Mitgliedstaaten entwickeln und verbessern Prüfrichtlinien
und erarbeiten Leitlinien zu Prüfmethoden und damit zu-
sammenhängende Bewertungskonzepte. Eine besondere
Bedeutung kommt dabei den sogenannten Nationalen
Koordinatoren zu; sie fungieren als Mittler zwischen der
nationalen Expertise und der OECD. Für den Bereich der
menschlichen Gesundheit hat das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit das BfR
als Nationalen Koordinator für die OECD benannt.
Die OECD-Methoden dienen dazu, die Auswirkungen
von Industriechemikalien, Nanomaterialien, Bioziden und
Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit
und Umwelt vorherzusagen. Ergebnisse auf Grundlage
von Prüfmethoden der OECD werden weltweit akzeptiert
und tragen dazu bei, Doppelversuche zu vermeiden. Sie
reduzieren Anzahl und Umfang von Tierversuchen und
bauen Handelshemmnisse ab. Im Themenbereich Ge-
sundheit des Prüfrichtlinienprogramms der OECD werden
derzeit 24 Projekte bearbeitet. Sie befassen sich vorrangig
mit der Entwicklung oder Weiterentwicklung von Prüfricht-
linien zu reizenden und ätzenden Wirkungen auf Haut und
am Auge, zu erbgutverändernden Eigenschaften sowie
endokrin wirksamen Substanzen.
Die Entwicklung von OECD-Prüfmethoden zur toxikologischen Bewertung von Stoffen wird in Deutschland vom BfR koordiniert.
Die Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden als Er-
satz für toxikologische Langzeitstudien stellt nach wie vor
die größte wissenschaftliche und technische Herausfor-
derung dar. Da ein Ersatz durch eine einzige Alternativ-
methode kaum möglich erscheint, steht aus wissenschaft-
licher Sicht die Entwicklung integrierter Teststrategien im
Vordergrund. Durch die Kombination von Methoden kön-
nen sie verschiedene Aspekte der Wirkung giftiger Subs-
tanzen abbilden.
Ein Schwerpunkt der OECD in diesem Bereich liegt auf
der Entwicklung sogenannter adverse outcome pathways
(AOPs). Dabei handelt es sich um eine Kette von Reak-
tionen. Diese beginnt mit einer ersten Interaktion der
Chemikalien auf molekularer Ebene und bildet dann die
Effekte in Zellen, Geweben und Organen ab, die zu einer
gesundheitlichen Einschränkung im Tier oder im Men-
schen führen. Die Entwicklung von AOPs verlangt ein
detailliertes Verständnis der Wirkmechanismen von Che-
mikalien. High-Throughput- und High-Content-Analysen
spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie eine große Anzahl
an Chemikalien in kurzer Zeit auf spezifische Wirkmecha-
nismen prüfen können. Durch die Entwicklung von AOPs
und daraus resultierender Teststrategien kann in Zukunft
eine große Anzahl an Versuchstieren eingespart und die
Prüfung von Chemikalien effizienter und wirtschaftlicher
gestaltet werden. Das BfR unterstützt und begleitet den
Prozess der Entwicklung von AOPs und von integrierten
Teststrategien.